Es wird eng
Wer früher aus dem Ausland heimkehrte, empfand unser Land als klein - aber fein. Wir waren stolz auf die Übersichtlichkeit und das soziale Netz, das uns alle hielt. Heute kommen wir zurück und loben die Freundlichkeit der Menschen dort angesichts der missmutigen Alltagsgesichter hierzulande. Enge empfängt uns bei der Rückkehr, nicht mehr wohltuendes Aufgehobensein im sozialen Netz, das wir geflochten haben.
Zu weit sind die Maschen des Netzes geworden, als dass sie nicht jene fallen liessen, die nicht exakt ins Schema passen: Kindern wird der Auslauf verboten, Betagte sind nur noch eine Belastung, Arbeits-suchende müssen bis zu vier Stunden Arbeitsweg in Kauf nehmen - auf eigene Kosten und die der Familienzeit. Von Menschen mit "Migrationshintergrund" brauchen wir nicht einmal zu reden. Im Netz scheint nur zu bleiben, wer alles aus eigenem Sack bezahlen kann.
Zu eng sind die Maschen des Netzes mit 1000 neuen Gesetzen pro Jahr geworden, als dass sie nicht würgten. Wenn alles ge- und verboten ist, wer will da noch freiwillig Rücksicht nehmen - ein Wert, der uns früher etwas wert war?
Im Ausland bewegten wir uns mit neugierigem Blick auf das Neue zu, das uns begegnete. Unser offener Blick entdeckte dort nicht nur viele Farben, der freundschaftliche Blick in die Augen des Gegenübers wurden freundliche erwidert. Weshalb schauen wir uns nicht auch hier mit dem gleichen Blick um? Das Leben verlöre so den schwarzweissen Schleier und würde wieder farbig. Das lohnt sich doch - oder?
von Ruth Brechbühl, Pfarrerin, Stansstad aus NLZ #29 vom 04.02.11 Rubrik "Mein Thema"
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