Zum Glück waren wir bereits von anderen Reisenden vorgewarnt, dass die schöne Asphaltstrasse die direkt von der Grenze bis nach Villamontes führt, nicht befahren werden darf. Zwar steht sie schon seit 6 Jahren, doch fehlt der oberste Asphaltbelag und das Befahren würde ohne den Belag die Fahrbahn beschädigen. So rauschen wir über die sehr ausgefahrene und staubige Piste gleich neben der wunderschön asphaltierten Strasse.
Dann machen wir unsere erste Erfahrung mit den Bolivianischen Kontrollen. Irgendwo im nirgendwo fahren wir an einen Schlagbaum – Militärkontrolle. Es kommt keiner zum Fahrzeug. In Bolivien muss man aussteigen und zum prominent aufgestellten Tisch hinübergehen. Dann werden Dokumente kontrollieren und alles notiert. Dann darf man wieder weiterfahren.
100km weiter erreichen wir dann die Migration. Eigentlich sind wir uns nicht ganz sicher, ob dies wirklich die Migrationsstelle ist. Das Häuschen gleicht eher einer Bar mit Kiosk als einer Amtsstelle. So kommt dann auch der Zöllner nach einigem Suchen aus irgend einer Ecke – mit vollem Mund – und winkt uns in die schöne Launchzone mit gemütlichen Stühlen. Hier drück er uns dann die nötigen Stempel in den Pass und weiter geht’s. Äh nein, zuerst stoppt uns noch die Polizei und will die Zollpapiere sehen, bei derer Überreichung uns der Zöllner ausdrücklich davor gewarnt hat sie der Polizei auszuhändigen. Alles dumm stellen nützt nicht und wir müssen das Zolldokument rausrücken. Wir sind dann froh, dass wir es wieder ausgehändigt bekommen und man seine Aufmerksamkeit auf die Inspektion des Fahrzeuginneren verlagert. Dann geht’s weiter.
Dann, 70 staubige Kilometer weiter, das erste Dorf – und eine weitere Militärkontrolle. Der liebenswürdige Offizier am nun bereits bekannten Tisch schnauzt Paddy an, als er versucht die Kontrolle mit Kopien unserer Dokumente zu bewerkstelligen – zur Sicherheit, man hat uns gewarnt, dass Dokumente zum Teil nur gegen Lösegeld wieder ausgehändigt werden. Aber auch hier ist es dann nicht so schlimm und man will anschliessend nur noch das Fahrzeuginnere inspizieren – wir sind uns nicht sicher, ob aus blosser Neugier und Langeweile oder aus triftigen Gründen.
Jedenfalls bemerkt dabei unser Freund Christoph, dass ihr Auto einen Plattfuss hat. Mit Erlaubnis des nun etwas besser gelaunten Offiziers dürfen wir den Radwechsel an Ort und Stelle ausführen – wahrscheinlich aus Gründen des Unterhaltungswertes. Wir stellen uns dann auch entsprechend schwierig an, finden zuerst die Werkzeuge nicht, anschliessend knickt dann auch noch das Auto vom Wagenheber und erst als der nun freundliche Offizier zwei seiner Soldaten zur Hilfe schickt, ist dann der Radwechsel erfolgreich.
Fröhlich ob dieses abwechslungsreichen Zwischenfalls werden wir dann durch die Schranke gewunken und können weiterfahren.
Die letzten 50 Kilometer ziehen sich endlos dahin. Und als wir nach über 2 Stunden in Villamontes ankommen sind wir hundemüde.
Aus dem Internet haben wir uns einen Übernachtungspunkt heruntergeladen, den Parkplatz bei einer Tankstelle. Als erstes fahren wir hin und überzeugen uns, dass wir einen Ort zum Schlafen haben. Dann geht es auf die Suche nach einem Bankomaten, um zu Bolivischem Geld zu kommen: Bolivianos, Umrechnungskurs 1 CHF für 8 BOL.
Dann machen wir die ersten Bekanntschaften mit den Boliviansichen Preisen:
Ihr könnt euch vorstellen, dass wir bei diesen Preisen nicht ans Kochen denken. Hier kommt es billiger in Restaurants zu essen, als selber zu kochen. Einzig für das Frühstück kaufen wir ein, denn auf ein Konfitürenbrot und Kaffee wollen wir am Morgen nicht verzichten.
Wir sind uns unschlüssig wie es weitergehen soll. Gleich geht es auch Kristel und Christoph. So entschliessend wir uns zuerst einmal einen Tag Pause einzuschalten und uns zu planen. Dazu möchten wir noch unseren Fahrzeugausweis kopieren und laminieren lassen, sowie das Zolldokument kopieren. Wir mussten bereits feststellen, dass wir hier mit unseren schwarzweiss Kopien der Dokumente nicht weiterkommen. Die Originale geben wir nur ungern aus den Händen, vor allem da in Bolivien die Polizei nun wirklich korrupt sein soll und sie mit unseren Original-Dokumenten in den Händen ein gutes Druckmittel hätten.
In einer Papeterie lassen wir unsere Dokumente kopieren. Nun haben wir eine laminierte Farbkopie des Fahrzeugausweises, eine täuschend-echte Kopie des Zolldokumentes und eine etwas fadenscheinige Kopie des internationalen Führerausweises. Mal schauen wie weit wir mit diesen Kopien kommen.
05.06.2011
Villamontes - ?? - Tarija
Nach unserer Entscheidung, dass wir über Tarija nach Potosi fahren; ist klar, dass wir noch ein, zwei Tage mit unseren österreichischen Freunden unterwegs sein werden.
Bereits die ersten Kilometer in Richtung Tarija machen uns mit den Bolivianischen Gegebenheiten vertraut. Strassentafeln ins vermeindliche Nichts, das sich anschliessend als Hauptstrasse herausstellt. Es ist kein Kilometer nach der Stadt, dass wir auf einer schmalen, nicht asphaltierten Strasse fahren, die sich allmählich in die Berge hinein windet. Über 240 Kilometer soll es nun so weiter gehen.
Nach wenigen Kilometern stehen wir vor einem Seil, dass quer über die Strasse gespannt ist. Strassenmaut. 10 Bolivianos kostet es, dann müssen wir noch zum Polizisten und werden registriert. Wie wir von einem Schweizer Ehepaar in Villamontes erfahren haben, ist dies die übliche Prozedur. Sie haben uns bereits gewarnt, dass die Polizei jeweils auch noch etwas einkassiert – Schmiergeld. So auch hier, nach der Registrierung, will der Polizist noch je 2 Bolivianos. Paddy stellt sich auf blöd; leider hat Christoph aber das Geld gleich zur Hand und bezahlt. Alles insistieren auf eine Quittung hilft da nichts mehr. Das Geld ist schon weg. Zwar sind 2 Bolivianos ein Pappenstiel, nur gerade 24 Rappen, dennoch es geht ums Prinzip kein Schmiergeld zu bezahlen.
Unsere Dokumentenkopien haben hier ihre Feuertaufe überstanden – anstandslos wurden sie akzeptiert.
Endlos sind die Serpentinen, endlos das Auf und Ab. Links und rechts grüner Urwald und meist auf einer Seite der Strasse ein tiefer Abgrund. Oft wird die Situation etwas eng, wenn uns Lastwagen entgegenkommen. Unsere Freunde haben in einer Kurve, nach einer Vollbremsung nur noch einen Meter Abstand bis zum entgegenkommenden Lastwagen.
Zum Glück hat es nicht geregnet; dennoch reicht etwas später die Feuchtigkeit der Wolken, um die Strasse in einen leichten Schlamm zu verwandeln. Unsere Autos stehen vor Staub und Schlamm.
Dann kommt es zum Stau im Urwald. 500 Meter weiter vorne ist ein Lastwagen stecken geblieben. Nun stauen sich die Lastwagen und zwischendrin zwängen sich die Personenwagen vor. Es wirkt chaotisch. Nach einer Stunde schaufeln und pikeln haben die Chauffeure die Strasse passierbar gemacht und es geht langsam weiter. Nun mit dem Wettkampf wer am schnellsten die vor ihm schleichenden Lastwagen überholen kann. Dies auf einem besseren Feldweg, der schlammig ist und auf der einen seite steil in die Schlucht abfällt – das ist Bolivien!
Die 240 Kilometer bis Tarija schaffen wir nicht. Um 5 Uhr sind wir müde und wir halten in einem kleinen Weiler. Gleich unterhalb eines kleinen Comedors (Imbiss-Restaurant) parkieren wir uns auf dem Fussballplatz.
Die Nacht haben wir mit gelegentlichem Gebrumme der vorbeirauschenden Lastwagen verbracht. Nun brummen auch wir die Strasse entlang, weiter nach Tarija.
Kurz vor Tarija machen wir dann noch den Versuch bolivianischen Wein zu probieren und biegen auf eine Nebenstrasse ab. Unsere erste Anlaufstelle ist Casa Real. Bei der Führung durch die Produktion bemerken wir erst, dass hier gar kein Wein sondern nur Weinbrand produziert wird. Macht ja auch nichts, wir haben eh keinen Schnaps mehr für unseren Kaffee und so sind wir anschliessend wieder gut aufmunitioniert um kalte Tage im Altiplano zu überstehen.
Die weiteren Weingüter finden wir schlichtweg nicht. Zwar haben wir sie auf der Karte und im GPS eingetragen, doch im wirlichen Leben existieren sie nicht an diesen Orten.
So fahren wir dann in Tarija ein auf der Suche nach einem Ort zum Übernachten. Schlussendlich finden wir diesem auf dem bewachten Parkplatz gleich hinter dem Rathaus. Zwar ohne irgenwelche Infrastruktur, doch mit Waschlappen und Wasser sind wir ja gesegnet, für alle anderen Aktionen können wir eines der vielen umliegenden Restaurants aufsuchen – Perfekter Platz!
Die optimale, zentrale Lage wollen wir heute nutzen und abends ausgehen. Bereits in Villamontes haben wir beim Abendessen einen längeren Stromausfall erlebt und so sind wir dann nicht überrascht als auch hier kurz nach dem Eindämmern die Lichter ausgehen. Noch bei Tageslicht haben wir zwei Bodegas ausgemacht, die wir nun aufsuchen wollen. So schlängeln wir uns im Scheinwerferlicht durch die vorbeirauschenden Autos. In der ersten Bodega werden wir vertröstet, erst müsse man wieder Strom haben. In der zweiten Bodega genehmigen wir uns dann ein Fläschchen Wein und degustieren noch das eine odere andere Glas beim gemütlichen Licht eines Neonstrahlers.
Dann kommt auch endlich das Licht wieder zurück und wir gehen zurück zur ersten Bodega. Hier gibt es auch etwas zu futtern und wir lassen uns eine Platte mit all den feinen Spezialitäten zusammenstellen.
Als wir dann so dasitzen und uns das Personal zuhört, kommt wie üblich die Frage: Woher seid ihr? Als sie hören, dass wir aus der Schweiz sind, ist der Abend gelaufen. Auch sie seien ursprünglich aus der Schweiz, aus Alterswil im Kanton Freiburg. Der Grossvater sei mit seinen Brüdern und 3 Saurer Lastwagen in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts nach Bolivien gekommen. Ihr Name sei Burry (in Bolivien sprich Burschy). Der Abend zieht sich jetzt wirklich in die Länge und der Wein fliesst reichlich, so dass wir nicht an eine Weiterfahrt am nächsten Morgen denken können. Im Gegenteil wir wurden verpflichtet nochmals in der Rotiseria, so heisst die Bodega, vorbei zu kommen. Nach und nach kommen immer mehr Mitglieder und Freunde der Familie, am Schluss ist das Lokal voll und es herrscht eine heftige Diskussion über Herkunft, Reiseempfehlungen und Ratschlägen.
Nach einer kurzen Nacht, an Ausschlafen ist auf dem Parkplatz nicht zu denken, und einem ausgiebigen Frühstück, stehen wir dann wieder in der Rotiseria. Fast alle sind wieder da. Vor allem Mario und seine Brasilianische Frau Tanja sind uns bei unseren Besorgungen behilflich. Mit herzlichen Empfehlungen, Tipps und warmen Umarmungen werden wir dann am Mittwoch verabschiedet.
Gemeinsam mit Christoph und Kristel werden wir noch den heutigen Tag bis nach Tajzara, einem nahegelegenen Hochtal, fahren. Anschliessend werden sich unsere Wege trennen. Christoph und Kristel werden weiter nach Osten, nach Tupiza fahren. Wir nehmen dann den Weg nach Norden, nach Potosì unter die Räder.
So rauschen wir los. Kurz nach der Stadt mit der üblichen Maut- und Polizeikontrolle. Jeder will noch etwas Geld von uns und wir sind vor allem über die Unverschämtheit des Polizisten erstaunt, der die Zahlung ganz offen als Cortesia, Gefälligkeitszahlung, bezeichnet. Dann windet sich die staubige Strasse endlos den Berg hinauf. Da auf der Höhe von gegen 4000Metern die Dieselmotoren der Lastwagen nicht mehr wirklich Kraft haben, sind wir gezwungen auf der schmalen Piste gewagte Überholmanöver zu vollführen – oder Staub zu schlucken. Der Sama-Pass führt uns wieder einmal an die 4000Meter-Grenze, aber halt leider doch nicht ganz auf 4000Meter. Dann geht es wieder steil bergab auf 3600Meter und wieder steil bergauf wieder ganz knapp an die 4000Meter-Grenze. Erst dann erstreckt sich vor uns das unwirkliche Sama-Tal vor uns. Es liegt auf 3700 Metern und ist von einer Kette von hohen Bergen umfasst. Mitten im Tal liegen eine handvoll kleinere und grösseren Seen, zum Teil Salzlaken, zum Teil Süsswasser. Wie wir aus dem Reiseführer wissen, soll es auf einigen sogar Flamingos haben; ja es sollen sogar 3 der weltweit 6 Flamingo-Arten hier leben.
Die Fahrt führt über zum Teil sehr, sehr schlechte Strassen, durch Bäche und Gräben. Als wir dann am fernen Ende des Tales den Weiler Copacabana erreichen, fühlen wir uns im falschen Film. Mit dem uns bekannten Copacabana hat dies auf jedenfall nichts zu tun. Die Behausungen der hier lebenden Indios sind sehr einfach. Wir können uns nicht vorstellen von was diese Menschen überhaupt leben. Von den allgegenwärtigen Lamas, Alpacas, Schafen und Kühen ist wohl kaum ein Auskommen für all diese Menschen zu finden.
So fahren wir weiter – wollen weiter fahren. Paddy bemerkt zuerst, dass bei unseren Freunden etwas nicht stimmt. Das linke Vorderrad steht irgendwie schief. Da gleichzeitig auch noch Flamingos im See neben uns auftauchen, hupen und blinken wir um unsere Freunde zu stoppen. Sie bemerken es jedoch nicht, doch stoppen von alleine einige 100 Meter weiter – Plattfuss. Dieses Mal jedoch richtig! Da sie den Platten beim Fahren nicht richtig bemerkt haben – sie meinten, der heftige Wind würde sie auf die rechte Seite drücken – ist der Reifen nur noch Fetzen. Dumm ist, dass auch die Felge auf der Steinpiste einen Schlag abgekommen hat. Wir merken, dass die beiden sich nun wirklich ärgern. In den 3 Monaten in denen sie nun schon unterwegs sind, haben sie schon 4 Platten gehabt.
Verdrossen machen wir uns ans Werk und wechseln das Rad; zum Glück, dieses Mal ohne Kippen des Wagenhebers. Anschliessend ist die Puste raus. Kein Wunder bei dieser Höhe. Auf 3700 Metern führt jedes Laufen oder schwere Arbeiten unweigerlich zu heftigem Atmen. So entschliessen wir uns gleich einen Übernachtungsplatz zu suchen und finden diesen auch 300 Meter weiter direkt an der Lagune mit den Flamingos. Der Platz ist traumhaft; mitten in der Weite, 10 Meter vom Wasser entfernt, mit Flamingos.
Da es immer noch heftig windet und es immer kälter wird, stellen wir unser Auto hinter jenes von Christoph und Kristel. Ihr grosses Fahrzeug bietet einen ausreichenden Windschatten für unser Klappdach.
Nach kurzem rätseln entschliessen wir uns für ein Raclette zum Abendessen. Wir werden bei unseren Freunden zum Essen ins Auto eingeladen. So verbringen wir den kalten Abend im warmen Prinzessinenschloss – so nennen unsere Begleiter ihr Gefährt leicht spöttisch – mit Raclette und einem – wirklich nur einem! – Glas Wein, denn die Höhe setzt uns allen etwas zu. Paddy hat schon eine Weile Kopfschmerzen und auch Christoph fühlt sich nicht ganz auf der Höhe. Kein Wunder bei 3700 Metern über Meer.
Als wir nachts „mal müssen“ ist es fast noch unwirklicher. Dunkel erheben sich am Horizont die Bergketten, darüber thront ein unglaublicher Sternenhimmel – zum Greifen nah. Man sieht abertrausende Sterne und die Milchstrasse hebt sich wirklich milchig-weiss vom schwarzen Himmel ab. Im Hintergrund das Geschnatter der Flamingos, die sich die ganze Nachtüber vergewissern, dass ihre Gefährten noch da sind.
Obschon es beim nächtlichen Ausflug aus dem Auto nicht so sehr kalt schien, lesen wir am Morgen von unserem Thermometer ab, dass es ganze 8 Grad unternull war. Brrr… das ist bitter kalt. Und so freuen wir uns als die Sonne über den Bergen aufsteigt und es schlagartig wärmer wird.
Erste Startversuche unserer Autos lassen uns noch etwas warten bis es wärmer ist. Ohne Frostschutz-Zusatz im Diesel kann das sonst fatale Folgen für unsere Motoren haben.
Das trifft sich gut, denn wir haben alle etwas wenig geschlafen. Die Höhe hat allen zugesetzt. So gehen wir den Tag langsam an. Da unsere Freunde nun die Nase voll haben mit ihren Platten und vor allem da der Reserve-Reifen nicht mehr zu reparieren ist, haben sie sich entschlossen nach Tarija zurück zu fahren, um neue Reifen zu kaufen. Da sie nun ohne Reserverad unterwegs sind und die Gefahr eines neuerlichen Plattens gross ist, werden wir sie begleiten – für alle Fälle. So haben wir an diesem Tag nur grade 3 Stunden Fahrt vor uns.
Kurz vor der Abfahrt bemerken wir, dass auch unser Auto Schaden davon getragen hat. Der Auspuff ist gebrochen. So hat also unsere Fahrt zurück nach Tarija auch seinen Sinn.
In Tarija staunen Mario und seine Familie nicht schlecht als wir wieder vor der Türe stehen. Wieder nimmt sich Mario den ganzen Tag Zeit für uns. Die Arbeit in seinem Architekturbüro überlässt er seinen Angestellten und fährt mit uns kreuz und quer durch die Stadt. Es ist unheimlich lieb von ihm. Obwohl wir sehr froh sind um seine Hilfe, fühlen wir uns ob dieser Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft etwas verlegen. Wie sollen wir uns nur dafür erkenntlich zeigen?
Nachdem die Reifen für unsere österreichischen Begleiter organisiert sind, geht es an die Suche nach Ersatzteilen für den Auspuff. Langer Rede, kurzer Sinn, alles herumfahren hat nichts genutzt. Trotzdem, dass hierzulande mehr Toyota Landcruiser herumfahren als irgendwo sonst in der Welt, gibt es keine Ersatzteile. Erst in der Toyota Fachgarage erfahren wir dann, dass wir gar keinen original Auspuff am Fahrzeug haben. Somit ist klar: Schweissen. Der Toyota-Mechaniker macht sich dann frisch und froh ans Werk. Nach einem halben Tag ist das defekte Teil noch nicht draussen. Die Schrauben klemmen. Paddy’s Vorschlag die Schrauben doch einfach zu wärmen und dann zu lösen wird mit einem Lächeln und der Antwort quittiert: „Wir haben keine Schweissanlage zum Wärmen der Schrauben.“
Als wir dann am Samstag, übrigens der Geburtstag unseres Gastgebers Mario, wieder in der Garage stehen, hat man sich dann entschlossen nicht weiter mit der Säge die Edelstahlschrauben aufzusägen; endlich will man zum Spezialisten fahren, der über das geeignete Werkzeug verfügt. So fahren Paddy und der Mechaniker auf die Suche nach einem Spezialisten. Deren gibt es zwar vieler, doch das Problem ist sie zu finden. Selbst der Mechaniker als Einheimischer hat Mühe, die Werkstätten ausfindig zu machen. Meist sind sie in Privatgaragen oder Innenhöfen, von der Strasse aus nicht zu erkennen. Nach 4 Stunden Arbeit, die ganze 150 Bolivianos – 17.90 CHF, gekostet haben, ist der Auspuff repariert und wieder wie neu.
Nun gilt es noch ein Geschenk für Mario zu finden, denn wir sind heute Abend zu seiner Geburtstagsparty eingeladen. Es ist unglaublich wie offen und gastfreundlich die Burry’s sind. Die letzten zwei Abende haben wir bei ihnen zu Hause gegessen, Mario verschiebt seine Termine für uns und schlussendlich sind wir auch noch zur Geburtstagsparty eingeladen.
Die Party findet bei einem Freund von Mario im Garten statt. Naja, Garten; es ist eine wunderschöne Villa mit einem riesigen Gartenhaus einem Pool und einer üppigen Pflanzenpracht. Somit also eher ein Park.
Marios Schwager schwingt als gebürtiger Argentinier die Kelle oder besser den Fleischspiess, denn es gibt ein richtig feines Asado.
Nach und nach kommen dann auch Marios Freunde. Alles Schulfreunde oder Freunde aus der Militärzeit. Es ist ein bunter Haufen: Architekten, Geschäftsleute, 4-Stern-Generäle aber auch zum Teil einfache Arbeiter. Doch alle sind seit über 30 Jahre dicke Freunde. Es ist unglaublich dies zu sehen wie diese Männer nach all den Jahren immer noch so einen engen Zusammenhalt haben.
Als dann am späteren Abend noch Manuel auftaucht sind alle ganz aus dem Häuschen. Der ältere Herr ist durch einen Schlaganfall zwar gehbehindert, doch das tut der Euphorie keinen Abstrich. Manuel ist der Lehrer dieser Männer gewesen. Reihum fallen sie ihm um den Hals und küssen ihn. Es ist rührend zu sehen wie diese Männer mit Mitte 50 ihren ehemaligen Lehrer noch immer so vergöttern.
Am nächsten Morgen steht Abschiednehmen auf dem Programm. Christoph und Kristel fahren weiter. Wir haben uns entschieden noch einen Tag zu bleiben und etwas auszuruhen. Nach über 3 Wochen und vielen tollen gemeinsamen Erlebnissen ist der Abschied nicht grad einfach und so halten wir ihn kurz und bündig: Wir sehen uns in Chile oder sonst in Europa wieder.
Viel Zeit bleibt uns an diesem Sonntag nicht. Wir sind bereits fürs Familienmittagessen gebucht und auch beim Abendessen dürfen wir nicht nein sagen. Für die Nacht haben wir uns entschieden, dass wir uns ein Hotelzimmer nehmen – mal wieder ein richtiges Bett.
Am nächsten Morgen wollten wir weiter, doch wir merken, dass uns das nur stresst. So entschliessen wir uns den Tag noch mit Organisieren und Aufarbeiten zu verbringen und erst am Dienstag weiter zu fahren. Tanja, Marios Frau, lacht als wir am Morgen wieder in der Rotiseria stehen.
„Wollt ihr immer noch nicht weg? Zum Glück habe ich mir schon ein Projekt und eine Wohnung für euch ausgedacht.“ meint sie mit einem verschmitzten Blinzeln.
Aber am Dienstag ist es dann wirklich so weit und wir machen uns auf den Weg. Die Fahrt über den Sama-Pass ist wieder sehr langsam und die Strassenverhältnisse haben sich auch nicht gebessert. So rumpeln und holpern wir über die Passstrasse auf 3800 Meter, um dann auf der anderen Seite wieder hinunter zu rattern.
Um 15 Uhr fahren wir dann in Camargo ein. Bis Potosi, unserem nächsten Ziel, wären es zwar nur noch 3-4 Stunden, doch wir verzichten auf die Weiterfahrt. Besser hier in dem kleinen Städtchen eine Unterkunft suchen und morgen bei Tageslicht in Potosi ankommen.
Nach etlichen Stunden Fahrt – wir sind froh, dass wir diese Strecke nicht mehr am späten Nachmittag unter die Räder genommen haben – rollen wir in Potosi ein. Die Fahrt in die Stadt führt direkt über die Flanke des Cerro Rico – dem Silberberg. Hier erreichen wir auch den bisherigen Höhepunkt unserer Reise 4322 Meter über Meer. Unser Auto röchelt über den Asphalt und qualmt wie eine Dampflock. Nach Potosi geht es dann noch 200 Meter runter.
Die Stadt überrascht uns mit einer unglaublichen Pracht. Nach einigem Suchen finden wir einen Parkplatz im Innenhof eines Hotels und machen uns auf die Erkundung der Stadt. Man sieht, dass Potosi einmal wirklich, wirklich grossen Reichtum besessen hat. Die Silberfunde im Cerro Rico waren so gross, dass Spanien sich damals alleine mit diesen Einnahmen für fast 400 Jahre über Wasser halten konnte. Im 17. Jahrhundert war Potosi die grösste Stadt der Welt. Man muss sich das einmal vorstellen! Und das auf über 4000 Metern Höhe.
Unseren Plan, 2 Tage zu bleiben, verwerfen wir nach unserer Wanderung durch die Stadt wieder. Zwar ist die Stadt wirklich schön und hat extrem viel zu bieten, doch uns macht die Höhe und die Abgase zu schaffen – nicht nur unser Auto qualmt auf dieser Höhe wie eine Dampflok.
Auf dem Weg aus der Stadt kaufen wir noch Sorochi Pills. Einheimische Medizin gegen Höhenkrankheit. Wie wir erfahren, eigentlich nichts anderes als ein Blutdruck senkendes Mitte. Wie wir erfahren, ist der hohe Blutdruck, das zentrale Problem der Höhenkrankheit. Egal was es ist, jedenfalls wirkt das Zeug innert 15 Minuten und Paddy fühlt sich wieder fit. Dennoch unser Weg führt uns heute nach Sucre, immerhin 1400 Höhenmeter weiter unten gelegen.
Die Fahrt nach Sucre führt über verschiedene Kreten, dann steil in ein Tal hinab und auf der anderen Seite genauso steil wieder nach oben. Wer denkt, dass man in Bolivien wie in der Schweiz in den Tälern fährt, der täuscht sich. Hier ist es üblich die Strassen in möglichst direkter Linie zu bauen. Die ärgsten Steigungen werden mit Serpentinen entschärft, doch ist das Resultat immer noch steiler als die steilsten Strassen in Europa. Entsprechend Mühe haben dann auch die Lastwagen. Sie kämpfen sich im Schritttempo über die Berge. Für uns eine Geduldprobe, denn unser Auto hat in dieser Höhe auch keine Reserven für gewagte Überholmanöver. So schleichen wir in Rauchwolken hinter den Lastwagen über die Berge, immer wieder unterbrochen von Photostopps. Einerseits beim hoffnungslosen Versuch die Landschaft einzufangen, andererseits um den Lastwagen eine Vorsprung zu geben und uns etwas frische Luft zu verschaffen.
Als wir dann nach wenigen Stunden in Sucre ankommen, sind wir überwältigt. Die Stadt kann nicht in Bolivien sein. Sie ist so völlig anders als alles was wir bisher von Bolivien gesehen haben. Die kolonialen Häuserzeilen sind durchwegs erhalten geblieben. Dazu sind die Häuser alle weiss gestrichen. Die Stadt wirkt organisiert, sauber und aufgeräumt.
Schnell haben wir uns in einer Unterkunft einquartiert und laufen in die Stadt. Es ist ein Genuss, so eine schöne Stadt! So stolpern wir durch den dichten Abendverkehr bis die Sonne untergangen ist und die Speicherkarte unserer Kamera voll ist.
Am selben Abend erhalten wir noch ein SMS von unseren Freunden Lukas und Jasmin, den beiden Schweizern mit denen wir in Argentinien bereits gemeinsam unterwegs waren. Sie sind auf dem Weg nach Sucre, wo wir den seien. Na in Sucre natürlich!
Eigentlich wollten wir nur einen Tag in Sucre bleiben, doch jetzt haben wir einen Grund zum Warten. Zwei Tage später treffen die beiden spät nachts ein. Sie haben eine Monsterfahrt hinter sich. 350 km an einem Tag! In Bolivien ist das eine Leistung.
Aus dem geplanten Raclette wird an diesem Abend nichts mehr. Nur noch schnell ein Bier und ein Sandwich, dann ins Bett.
Nach einem Tag Sightseeing sitzen wir dann am Abend gemütlich im Innenhof des Hostals. Graham, ein Motorradfahrer aus England und Chris, ebenfalls ein Motorradfahrer aus Kanada, gesellen sich zu uns. Wir haben ihnen in den vergangenen Tagen den Mund wässrig gemacht, als wir von unseren Raclette-Plänen erzählt haben. Nun wollen sie es selbstverständlich ebenfalls versuchen. Zu sechst vernichten wir fast 2 Kilo Käse und schwatzen noch weit in die Nacht hinein.
Dann ist auch schon wieder der Abschied von Lukas und Jasmin da. Wir wollen weiter, sie ebenfalls. Lukas und Jasmin fahren via Potosi nach Uyuni. Uyuni ist ebenfalls unser Ziel. Doch unsere Route ist noch etwas länger bis wir dorthin gelangen. Nach einigem Überlegen und Abwägen entscheiden wir uns jedoch unsere Route abzukürzen. Einerseits würde unsere Planung, die bis nach Santa Cruz im Osten Boliviens führt, viele „leere“ Kilometer beinhalten, also Strecken auf denen nichts Spezielles zu sehen ist. Andererseits würden wir sehr gerne die Gesellschaft von Lukas und Jasmin auf dem Salar de Uyuni geniessen und wenn möglich mit ihnen durch den wilden Südwesten Boliviens reisen.
Der Entscheid ist gefällt. Wir fahren hoch bis nach Incallatja, dem Machu Pichu Boliviens. Dann via Oruro ebenfalls nach Uyuni. 3 Tage kalkulieren wir für die Strecke.
So brausen wir an diesem Morgen in der Gesellschaft von Graham los; Graham fährt in Richtung Santa Cruz und begleitet uns noch eine Tagesstrecke.
Die Fahrt führt ausnahmsweise einmal nicht über Bergrücken, sondern durch grüne Flusstäler. Die Flüsse beanspruchen hier noch die ganze Breite des Tales, nicht wie bei uns, wo sie in ein betoniertes Flussbett gezwängt werden. Die Hütten und Dörfer drängen sich alle an die steilen, bewaldeten Berghänge. Die Felder sind noch unglaublicher angelegt. Sie sind an die steilen Berghänge gebaut. Unsereins könnte dort wohl nur noch knapp stehen, geschweige denn Getreide und Gemüse anbauen.
Nach einer staubigen Fahrt und einer langen Suche, finden wir dann tatsächlich mit den letzten Sonnenstrahlen die westlichsten Inca Festungen. Sie sollte einstmals das Reich der Incas gegen die Guarani schützen.
Bei der Suche nach dem Ort werden wir wiederholt darauf hingewiesen, dass am nächsten Tag um 5 eine Feier stattfindet zu der Vizepräsident Boliviens höchst persönlich kommt, um uns zu begrüssen… Naja, vielleicht doch nicht unseretwegen.
Da uns direkt beim Parkplatz zu viele betrunkene begrüssen, entschliessen wir uns etwas weiter die Strasse hinab auf einem Feld zu übernachten.
Mitten in der Nacht hören wir Trommelgedröhne. Doch nichtsahnend drehen wir uns und schlafen weiter. Als wir dann am Morgen aufstehen, gemütlich frühstücken und anschliessend zur Festung hochfahren, werden wir mitleidig begrüsst. Die Feier sei schon fast vorbei; wenn wir gleich hochgehen, dann würden wir sie noch eine Viertelstunden miterleben. Jetzt geht uns auch ein Licht auf, die Feier war 5 Uhr morgens! Und endlich verstehen wir auch was der Grund der Feier war: der 21. Juni; Wintersonnenwende!
So keuchen wir so schnell es geht den Berg hoch und treffen auf eine eindrückliche Ruine. Im Innern der Ruine ist die Feier am Ausklingen. Eine Bolivianisch Panflöten-Gruppe spielt. Darum herum viel Lärm, viele Trachten und bis an die Zähne bewaffnete Spezialeinheiten. Mitten im Gewühl: der Vizepräsident. Die Szene ist eindrücklich: die Ruinen, die Berge, die Trachten und Farben und die Morgenstimmung. Endlich haben wir auch die Gelegenheit unbekümmert die Menschen und ihre Trachten fotografieren zu dürfen.
Ein langer Zug bildet sich der sich dann zur Sternwarte – Ruine der Sternwarte bewegt. Auch wir schliessen uns dem Zug an und wandern durch die Ruinen. Es ist eindrücklich. Bei der Sternwarte angekommen, könnte Paddy stundenlang sitzenbleiben. Der Ort ist faszinierend und hat eine eigene Stimmung.
Doch wir werden vom Vizepräsidenten in unserer Beschaulichkeit gestört und entschliessen uns, weiter zu gehen. Wir wandern zurück zu der nun leeren Hauptruine und verabschieden uns. Graham will nun endlich weiter nach Santa Cruz und wir möchten auch weiter, um wenn möglich Lukas und Jasmin in Uyuni zu treffen.
Hunde gibt es in Südamerika überall. Eine Strasse ohne Streuner – gibt es nicht.
Die Tiere sind ein fester Bestandteil des Südamerikanischen Strassenbilds. Wir haben uns wiederholt gefragt, welche Bewandtnis es damit hat.
Erstens haben die allermeisten Familien einen oder mehrere Hunde. Hat man eine kleine Wohnung in der Stadt, so hat man einen Hund im Handtaschenformat; Lebt man im eignen Haus mit Garten, dann muss zumindest ein grösserer Hund her.
Leider ist das Verantwortungsgefühl der Hundebesitzer nicht sehr gross. Hunde werden oft als Gebrauchsgegenstände angesehen. Funktionieren sie nicht mehr, wirft man sie weg. Zum Beispiel wurde der Labrador unseres Nachbarn in Santiago angefahren. Dabei brach sich der Hund eines seiner Hinterbeine. Der Bruch verheilte mehr schlecht als recht und nun rennt der Hund nur noch auf drei Beinen herum. Kurzerhand schmiss der Nachbar den Hund auf die Strasse und kaufte sich einen neuen Labrador, einen der noch einwandfrei „funktioniert“. Der humpelnde Labrador fristet nun sein Leben auf dem Trottoir vor dem Haus. Gelegentlich wird er noch von seinem ehemaligen Besitzer gefüttert ansonsten ist das Tier sich selbst überlassen.
Andererseits gibt es auch andere Beispiele, bei denen sich Menschen um die Streunenden Hunde kümmern. In Santiago haben sich die Tierärzte organisiert und kümmern sich im Tournus um die streunenden Hunde der Stadt.
In Bolivien hat man den streunenden Hunden auf anständige Art den Kampf angesagt. Sie werden eingefangen, kastriert oder sterilisiert, geimpft und entfloht, dann mit einem leuchtenden Halsband versehen und wieder freigelassen. Wir fanden, dass dies weit besser ist als wenn man die Tiere eingefangen und umgebracht hätte.
Erstaunlich ist, dass die Hunde in der Regel einen guten Charakter haben. Nie würden sie einen Menschen angreifen oder auch nur anknurren. Wie es scheint, haben sie erkannt, dass es bei den Menschen am einfachsten etwas zu fressen gibt, wenn man sie mit treuherzigen Augen anblickt. So wird man vielerorts auf Campingplätzen von treuherzig blickenden Hunden umlagert.
Was wir auch wiederholt gemerkt haben ist, dass sich die Hunde einem gerne anschliessen. Uns schien nicht, dass es ihnen dabei um etwas Fressbares ging. Vielmehr hatten wir den Eindruck, dass sie einfach die Gesellschaft von Menschen suchten. Wiederholt hätten wir gerne einen der Hunde einfach in unser Auto geladen und ihn adoptiert. Doch immer wieder stellten wir uns vor, wie frei der Hund hier sein konnte im Gegensatz zu einem Leben in einem engen Auto oder einer kleinen Schweizer Wohnung. Wir fanden, dass das Streunende-Hundeleben bei allen Widrigkeiten gar nicht so schlecht ist im Vergleich zum eingekerkerten Stadtleben bei uns.
Auf unserem Weg liegen noch einige Sehenswürdigkeiten. Wie haben geplant diese zu besuchen. Doch als wir im Reiseführer nachlesen, entschliessen wir uns, sie samt und sonders auszulassen. Bei allen wäre umständliches Suchen und Nachfragen nötig, zudem wird bei einer auch eindringlich von Überfällen gewarnt.
So stoppen wir in Cochabamba zum Geld und Diesel tanken und fahren weiter. Unser Ziel ist heute noch Oruro zu erreichen. Die Strecke dorthin führt über unzählige Bergrücken. Bei jedem Pass denken wir, dass wir nun am höchsten Punkt angelangt sind und es nun wieder hinunter geht. Doch es geht immer weiter aufwärts. 3900, 4000, 4100, 4200, 4300 und schliesslich auf 4453 Meter Höhe. Es ist der bisher höchste Punkt auf unserer Reise. Unser Auto pufft nur noch und wir rauchen auch hier im 2 Gang hinter den wohlbekannten Lastwagen her.
Dennoch die Strecke ist wunderschön, die Aussichten einmalig. Als wir dann auf die Strasse nach Oruro abbiegen, empfängt uns eine komplett andere Landschaft. Die Berge und Täler werden von einer unendlichen Hochebene abgelöst, genau so haben wir uns den Altiplano vorgestellt. Wir sind auf 3900 Meter.
Bis zum Einbruch der Nacht schaffen wir es noch zu den Thermen von Obraje. Diese sind jedoch auch im Begriff zu schliessen und so haben wir wenigstens einen Parkplatz zum Übernachten. Unseren Freunden haben wir in der Zwischenzeit mitgeteilt, dass wir am nächsten Tag in Uyuni sein werden.
Der neue Tag beginnt früh. Ohne Frühstück brechen wir um halb sieben auf und brausen los. 320km liegen vor uns. In den meisten Südamerikanischen Ländern wäre dies keine Distanz, 4 Stunden und man wäre am Ziel. Doch nicht so in Bolivien. Hier muss man damit rechnen, dass diese Strecke zu einer mehrtägigen Reise wird. Informationen zu den Strassenzuständen sind inexistent. Jeder erzählt etwas anderes. Karten sind nicht zu bekommen und diejenigen, welche wir von zuhause mitgebracht haben, sind unbrauchbar – schlicht falsch. Das Kartenmaterial für unser GPS ist auch eher lückenhaft und so ist die Einschätzung der Strecke Glückssache.
Die ersten Kilometer nach Oruro sind eindrücklich. Über den Altiplano fahren wir auf die Stadt zu, die letzten Lichter glitzern im frühen Morgenlicht, weisser Nebel schleicht sich gespenstisch über die Ebene – uns bietet sich ein fast schon romantisches Bild.
Das Bild ändert sich schnell als wir näher kommen. Der Nebel wird dicker und riecht nicht wirklich gut. Es stinkt! Mit Nebellichtern schleichen wir durch die ersten Quartiere und entdecken, dass der Ursprung des Nebels wohl eher bei den unzähligen Schloten liegt. Es ist ein fürchterliches Bild. Der übliche bolivianische Müll, der sich normalerweise um die Städte erstreckt, liegt hier mitten in der Stadt.
Wir sind froh, dass wir schnell durch sind und sich vor uns wieder der Altiplano erstreckt. Nach 170km ist dann auch die gemütliche Fahrt über die asphaltierte Strasse vorbei und vor uns erstreckt sich die übliche Schotterstrasse. Es ist unglaublich wie die bolivianischen Strassen unser Fahrzeug beansprucht. Den Reifen wurde bereits an vielen Stellen Gummi aus dem Profil gerissen. Ganz allgemein fallen wir, seit wir in Bolivien sind, mit unserem Auto nicht mehr auf. In Bolivien sind Geländeautos im Kaliber des unsrigen die Regel. Normale Personenwagen sind nur in Stadtnähe zu sehen. Die Strassen sind wohl zu schlecht.
So donnern wir durch eine unglaublich eindrucksvolle Landschaft, über eine unglaublich schlechte Schotterstrasse, die unser Auto bis in die letzte Schraube schüttelt und rüttelt.
Nach unglaublich kurzen 4 Stunden sind wir in Uyuni. Wir hätten niemals gedacht, dass wir so schnell da sind. Uyuni ist eine Stadt am Ende der Welt. Anders lässt sich dieser Ort nicht beschreiben. Die Hauptstrasse von Oruro endet vor der Stadt. Von da an muss man sich den Weg querfeldein selber suchen. Nur gerade die wichtigsten Strassen in der Stadt sind gepflastert.
Vor der Fahrt auf den Salar, so haben wir uns entschieden, wollen wir zuerst noch unser Auto konservieren lassen. Die entsprechenden Einrichtungen sind hoch professionell: Hinterhöfe umringt von halbverfallenen Adobe-Häusern, dazwischen alte Autos und Fahrzeugteile, in der Mitte eine Betonrampe. Dazu gehören noch ein langer Wasserschlauch und eine Handvoll Arbeiter.
Zuerst stapft der eine Arbeiter mit seinen Gummistiefel durch den knöcheltiefen Schlamm rund um die Rampe und spritzt unser Auto von allen Seiten her ab. Der Wasserdruck ist gut und so sind wir sicher, dass der ganze Staub und Dreck weg ist.
Anschliessend wechselt sich der klatschnasse Arbeiter mit seinem öltriefenden Kollegen ab. Fahrzeugkonservierung heisst hier, dass ganze Auto von unten mit altem Motorenöl einzuspritzen. Ökologisch korrekt wird das ölige Wasser in einer Grube aufgefangen. Dass die Grube eine einfache Vertiefung im Sand ist, muss wohl kaum erwähnt werden.
Anschliessend ist unser Auto dick eingeölt und bereit für den Salar.
Für die letzte Nach in vor dem grossen Abenteuer auf dem Salar und im Südwesten Boliviens, haben uns Luc und Jaz ein Zimmer in einem günstigen Hostel reserviert und nach einem gemütlichen Abendessen, hauen wir uns in die Federn – wollen uns in die Federn hauen, denn als wir die Bettdecke zurückschlagen, stellen wir fest, dass die Wäsche nicht frisch ist. So suchen wir jemanden der die Bettwäsche wechseln könnte und werden von einer mürrischen Mitarbeiterin bedient. Als sie wenig später das Oberleintuch auf das Bett legt, bemerkt sich murmelnd, dass das Laken zu schmal ist. Paddy bittet sie doch ein breiteres zu holen – keine Antwort, sie arbeitet weiter. Paddy fragt sie nochmals – keine Antwort, sie arbeitet weiter. Dann ruft Paddy: „Hola, verstehen sie mich!“ – Sie schaut ihn an und dreht sich, um weiter zu arbeiten. Nun hat Paddy die Nase voll und zieht das Laken weg.
„Verstehen Sie mich? Bitte holen Sie ein anderes Laken!“
„Sprechen Sie nicht so mit mir. So etwas können sie in Ihrem Land verlangen. Das hier ist Bolivien“, erwidert sie.
Nun platzt Paddy der Kragen. Ultimativ verlangt er ein anderes Laken. Als sie wieder nicht drauf eingeht. Stampft er los und beschwert sich bei der Chefin. Diese holt ein breiteres Laken aus dem Schrank und gibt es der hilfsbereiten, mürrischen Dame. Diese stapft zurück ins Zimmer und meckert vor sich hin, von wegen Paddy hätte nicht zur Chefin gehen sollen und so weiter. Es ist unglaublich wie zum Teil Menschen in Bolivien ihren Beruf verstehen.
Dann ist der Aufbruch da. Schon lange haben wir den Salar de Uyuni bei uns auf der Landkarte als eines unserer Highlights markiert.
Als wir bei der Auffahrt auf dem Salar ankommen, sind wir bereits vorgewarnt, dass es eine kurze Durchfahrt durch das Salzwasser gibt. Speziell diese Durchfahrt hat uns lange Kopfschmerzen bereitet, doch mit unseren eingeölten Fahrzeugen hoffen wir, dass wir ausreichend gegen diese aggressive Lake gewappnet sind. In Schleichfahrt durchqueren wie das knapp knöcheltiefe Wasser und hoffen, dass nicht zu viel davon an die Fahrzeuge hochspritzt.
Dann geht’s los und wir brausen über die Salzfläche. Zuerst zum 6km entfernten Salzhotel, dann, nach einer kurzen Enttäuschung, weiter zur Isla Huasa. Sie ist ca. 80km entfernt und vom Salzhotel aus nicht zu sehen. Im GPS ist sie ebenfalls nicht zu finden und auch die anwesenden Fahrer der Tour-Jeeps geben nur sehr karge Auskünfte. Die allgemeine Richtung kennen wir und vor uns erstreckt sich eine halbwegs sichtbare Spur über die Eisfläche – äh, Salzfläche. Es ist wahr, wir müssen uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass dies kein Eis sondern Salz ist. Sie durchmisst mehrere hundert Kilometer und ist topfeben.
50km tauchen am Horizont Anzeichen von Inseln auf und wir halten auf jene zu, von der wir glauben, dass sie näher ist. Unsere Wahl ist richtig und bald erreichen wir die Isla Huasa. Sie ist touristisch voll erschlossen, mit Museum und Picknick-Tischen. Dazu ein Rundweg, der durch die bizarre Felslandschaft im Eismeer – äh, Salzmeer führt.
Die Insel ist über und über mit gewaltigen Kakteen bewachsen. Die meisten sind über 3 Meter hoch, viele sogar über 4 Meter. Es ist ein Kakteenwald.
Die Farben sind unglaublich: Das Weiss des Salzes, das Blau des Himmels (auf 3700 Meter tiefblau), das Braun der Felsen, das Grün der Kakteen. Nehmt einmal ein schneeweisses Blatt Papier. Bemalt die oberen zwei Drittel mit dunkelblauer Wasserfarbe, dann mischt ein helles Braun und malt in der Mitte des Bildes eine braune Insel, darauf malt Kakteen in einem satten Grün. Ihr werdet sehe, euer Bild wird euch gefallen.
Dann kommt die Touristen-Schwemme und alle Tour-Jeeps treffen ein. Nun wissen wir auch weshalb am Rand der Insel unzählige Pick-nick Tische stehen. Es sind duzende von Gruppen.
Uns reicht es, und wir fahren weiter zur 40km entfernten Isla de Pescadora. Hier sind die Spuren im Salz nicht so klar erkennbar. Auch formt das Salz hier riesige 6eckige Platten. Die Fahrt ist holprig und bald merken wir, dass zwischen den Salzplatten Wasser ist.
Wir wurden gewarnt, dass es im Salz grosse und tiefe Löcher hat. Aus diesem Grund sind wir vorsichtig, wir wollen keinen Achsbruch oder sonstigen Unfall riskieren. Langsam rumpeln wir über die unebene Fläche und nähern uns der Insel von Osten. Die letzten Meter sind wieder mehr eine Fahrt durch Salz-Schlamm und so sind wir froh, dass wir die Fahrzeuge auf der Insel parkieren können.
Hier wollen wir übernachten! Hier wollen wir wirklich übernachten? Es bläst ein heftiger Wind und bereits jetzt, obwohl erst Nachmittag fröstelt es uns. So machen wir uns auf die Suche nach einem windgeschützten Platz. Entschlossen stapfen wir über die Insel. Auf 3700 Meter Höher und bei salziger, trockener Luft ist das Marschieren anstrengend. Schnell fühlt man sich komplett ausgetrocknet, doch Durst hat man trotzdem nicht.
Wie wir herausfinden, ist auch bei dieser Insel die Zufahrt auf der Westseite. Wir gehen mit unseren Autos in einer weiten windgeschützten Bucht an Land. Bald sind die beiden Autos im Windschatten parkiert und bereit für die Nacht. Dann verlieren wir uns aus den Augen. Irgendwie geht jeder irgendwo verloren. Paddy stapft auf der Suche nach Brennholz immer weiter den Berg hinauf, immer weiter hinein in den Kakteenwald. Petra sucht die Aussicht auf den Salar und erklimmt eine Felsnase nahe dem „Ufer“. Luke wandert den „Strand“ entlang und Jaz entschwindet sonst wo aus unseren Blicken. Jeder geniesst die Ruhe, die absolute Stille, kein Geräusch ausser dem eigenen rasselnden Atem und dem Rauschen des Blutes in den Ohren. Es ist einfach nicht zu beschreiben wie sehr diese Landschaft uns gefangen nimmt. Es ist Meditation, Träumen, sich selbst fühlen und Nachdenken.
Stunden später, es ist schon kurz vor Sonnenuntergang treffen wir uns wieder bei den Fahrzeugen. Paddy und Luke haben die Zeit zum Sammeln von Feuerholz genutzt und so strecken wir, nach einem Abendessen mit Sonnenuntergang-Spektakel, die Füsse genüsslich ans wärmende Feuer. Über uns ein einmaliger Sternenhimmel. Vor uns das knisternde Feuer. Neben uns gute Freunde. Perfekt.
Unseren Ausflug auf den Salar zu beschreiben ist schwierig. Wollte man die Stimmung und das Erlebnis weitergeben, wäre es eine endlose Aneinanderreihung von Adjektiven der Superlative. Für den Leser ebenso langweilig wie ausdrucksschwach. Die Aneinanderreihungen wären für den Leser genauso übersättigend, wie die Eindrücke es für uns sind. So verliert auch für uns der Salar zwar nicht den Reiz, doch irgendeinmal sind alle Photos geschossen, all das Salz gesehen. So schön wie der Salar ist, so sehr schätzen wir auch, als wir wieder von ihm runter sind.
Die Autos sind salzverkrustet und wir hoffen, dass die Konservierung hält, was sie verspricht. So fahren wieder zum bereits bekannten Autokonservierer und lassen die Fahrzeuge vom Salz reinigen, dann kommt nochmals eine Ölschicht drauf – für alle Fälle…
Da wir noch 3 Stunden Tageslicht haben, entschliessen wir uns noch bis San Cristobal weiter zu fahren. Hier finden wir einen Parkplatz auf dem Hof des einzigen Hotels und gegen Einnahme des Abendessen im Hotelrestaurant, dürfen wir auch auf dem Hof übernachten – ist uns lieber als in den zweifelhaften Betten.
Auch in dieser Nacht wird es wieder bitter kalt. Bereits seit 5 Nächten sind die Temperaturen unter -10 Grad und wir müssen uns dick einmummeln, um warm zu haben.
Da uns der Hotelparkplatz etwas zu ungastlich ist, entschliessen wir uns einen schönen Platz an der Strecke zu suchen. Die Stecke ist erstaunlich. Die ansässigen Minenunternehmen schaffen, was der Staat Bolivien bei seinen Schotterstrassen nicht schafft: die Planiermaschinen fahren regelmässig die Strecke ab und die Strasse ist schon fast ein Luxus (nur wenige Schlaglöcher).
Kurz nach Vilaalota empfängt uns eine bizzare Felslandschaft. Wind und Wetter haben die Felsen zu abstrakten Gebilden geformt. Mit etwas Phantasie erkennt man unzählige Tiere, Fabelwesen und Objekte. Da das Wetter immer wärmer ist (schon bald 5 Grad warm) und die unzähligen Elefanten, Nashörner, Monster und Burgtore zum Erkunden einladen, beschliessen wir, hier unser Frühstück abzuhalten.
Das Frühstück ist nur kurz aber die Erkundung der Felsen dafür umso ausgedehnter. Hier sollten wir eigentlich noch einen Tag bleiben, doch leider haben wir den Montag an dem Luc und Jaz in Chile eintreffen sollten. So geht es weiter und bald darauf suchen wir die Einfahrt auf die Piste Richtung Lagunen. Wir sind schon unsicher, ob wir die Piste verpasst haben und wollen umdrehen, als uns ein Tour-Jeep entgegenkommt und einige hundert Meter vor uns auf eine kaum sichtbare Piste einbiegt. Kurz darauf überholt uns ein weiterer Tour-Jeep und biegt links ab. Ha! Sind wir richtig. Wir biegen ebenfalls ab. Nun geht es los.
Wir beschränken uns an dieser Stelle darauf die Pisten-Kondition für die nächsten 300km zu beschreiben und langweilen euch nicht mehr weiter damit die fürchterlichen Pistenbedingungen zu erwähnen. Die Piste wechselt zwischen Fahrspuren zu talbreiten, undefinierten, mehrere Kilometer breiten Fahrwegen. Die Stassenbeschaffenheit ist entweder sehr steinig und versieht unsere Reifenprofile mit weiteren Profilrillen oder entreisst ihnen ganze Teile; oder es besteht aus leicht mit Steinen bedecktem Sand, der durch die vielen Fahrzeuge zu einem nervenaufreibendem Ripio (Wellblech) gewalzt wurde und eine Herausforderung für Mensch und Material ist – dies schreiben wir mit viel Erfahrung was Corrigation, Wellblech oder Ripio betrifft. Wir sind schon viele tausend Kilometer auf diesem Untergrund gefahren, doch ausser einmal eine kurze Stecke in Australien, haben wir noch nie so starken Ripio erlebt. Aber lassen wir diesen Aspekt der Erfahrung bei Seite und beschränken uns auf den schönen Teil; doch sei jeder vorgewarnt, der diese Strecke in Angriff nimmt!
Zuerst führt die schmale Piste bergauf. Unter uns erstreckt sich eine endlose Weite mit Bergen, die eher an Patisserie erinnern, denn als Felsen. Konisch stehen sie in der Landschaft, bedeckt mit Puderzucker. Unter der Glasur leuchten Felsen in allen Farben. Als hätte ein Kind in einem riesigen Sandkasten Sandhügel aufgeworfen, Wasserfarben darüber gekippt und Zucker darüber gestreut.
Nach kurzen aber heftigen Kreuzungs- und Überholmanövern durch Touren-Jeeps, rattern wir weiter. Die Berge rücken näher zusammen und bald erspähen wir vor uns Wasser, in dieser kargen und trockenen Einöde wie eine Erlösung. Die weissen Ränder der Lagune deuten zwar auf Salzwasser hin, dennoch der Anblick ist irgendwie tröstlich.
Kurze Zeit später gelangen wir an die Laguna Flamingo. Wie der Name schon ankündigt erwarten uns Flamingos. In dunkelstem Rosa staksen sie durch das seichte Wasser. Rund um den Schwarm ist der See zugefroren. Wie machen die Flamingos das nur? Das Wasser muss doch eiskalt sein!
Unter Attacken einiger Möven (!) schiessen wir einige Photos, bevor wir dann weiterfahren.
Beim Schreiben dieser Zeilen wird bewusst, wie schwierig es ist die Dimension und Weite dieses Landes wiederzugeben. Dazu immer weitere Farben und ein Wechsel der Szenen. Ein x Kilometer breiter Talkessel in dunklem Ockerrot. Dahinter eine Bergflanke – bestimmt 400 Meter hoch – sanft ansteigend in einem intensiven Sandgelb, die Tour-Jeeps, welche sich die Flanke hinaufquälen nehmen sich wie Ameisen aus.
Dann wieder eine weite Fläche. Die ganze Fläche ist eine Fahrbahn. Unsere Freunde, die auf gleicher Höhe fahren wie wir, sind plötzlich nur noch ein Pünktchen am Horizont. Doch der Horizont grenzt nicht an den Himmel, sondern an Berge, der vermeidlichen Patisserie-Gattung, die nicht sonderlich scheinen, doch weit über 6000 Meter hoch sind.
Dann wieder mündet die „Fahrfläche“ in einen Trichter aus Felswänden. An den Wänden wachsen gigantische Moosflächen, die wohl eher Flechten sind. Sie leuchten in intensivem Grün und sind steinhart wie Korallen.
Die Fahrt im Detail oder genau wiederzugeben, ist uns nicht möglich, zu vielzählig sind die Eindrücke, zu überwältigend die Ansichten, zu klein unser Auffassungsvermögen.
Kurz vor dem Tagesziel, der Laguna Colorada, treffen wir auf den Arbol de Piedra, den steinernen Baum. Eine natürliche Felsskulptur, die entfernt an einen Baum erinnert.
Nach einem kurzen Schwatz mit einigen Motorradfahrern und einigen Photos sind wir wieder unterwegs. Wir sind müde und wollen endlich ankommen.
Kurz vor der Laguna Colorada treffen wir dann noch auf einen Schlagbaum. Eintritt bezahlen für das Naturreservat – und das nicht zu knapp. So blättern wir je 22 USD hin, damit wir weiter dürfen.
Die Suche nach einem Stellplatz für die Nacht gestaltet sich schwierig. Es bläst ein kalter, stetiger Wind und in dem breiten sandigen Tal gibt es keine Nische keine Ecke wo wir uns in den Windschatten stellen könnten. So geben wir uns geschlagen und gesellen uns zu den unzähligen Touren-Jeeps beim Weiler am westlichen Ende der Laguna Colorada. Doch nicht ohne vorher die farbige Lagune von oben zu betrachten. Weiss, rot, grün, blau erstreckt sie sich vor uns. Kleine rosa Punkte verraten uns, dass es auch hier unzählige Flamingos hat. Darüber wölbt sich ein tiefblauer Himmel, wir sind auf 4300 Meter Höhe. Eingerahmt wird das Arrangement vom dünenartigen Hochgebirge.
Mit diesem Bild mieten wir uns in einem Hostal ein, zwar ist es nicht geheizt, doch es hat Decken und ist windgeschützt.
Zur Feier des Tages entschliessen wir uns, noch ein letztes Mal ein Raclette zu machen. Eingemummelt in dicke Decken sitzen wir dann am Abend beim Raclette und geniessen die Wärme von innen. Die Müdigkeit treibt uns bald ins Bett. Am nächsten Tag, so haben wir beim Abendessen beschlossen, wollen wir nach Chile fahren; zu sehr ermüden uns die drängelnden Touren-Jeeps und der nervenzermürbende Ripio.
Der Morgen beginnt nochmal mit einem brutalen Ripio. Da die Dusche im Hostal fehlte, möchten wir gerne ein Bad in den „nahen“ Thermalquellen nehmen. Stunden später, nach einer weiteren Fahrt durch eine atemberaubende Landschaft, finden wir gegen Mittag die Thermen. Schnell schlüpfen wir in unsere Badesachen. Wie auf 4800 Meter zu erwarten ist die Luft kühl und wir ziehen zusätzlich noch zu den Badehosen die warme Wintermütze an. Dazu die Sonnenbrille.
So sitzen wir 2 Minuten später im Wasser und geniessen wie sich die Wärme langsam in unser Inneres frisst.
Wir sind um keine Minute zu früh eingetroffen. Denn bereits eine Viertelstunde später treffen mehr und mehr Touren-Jeeps ein und der einsame Pool füllt sich mehr und mehr.
So klettern wir wehmütig aus dem warmen Wasser und machen uns auf den Weg.
Wie wir seit heute früh wissen, ist die Grenze nach Chile nach über einer Woche endlich wieder offen. Vor einer Woche hat es geschneit und die Stecke wurde daraufhin kurzerhand geschlossen.
Doch vor der Grenze erwartet unsere Fahrzeuge noch eine letzte Herausforderung. Wenn sie dies meistern, dann sind sie für alles gewappnet: Zollabfertigung auf 5020 Meter über Meer.
So prusten wir weiter mit unseren rauchenden Gefährten durch die Landschaft. Heute vermehrt sandig, doch die Strecke ist besser. In der Gegend hat es einige Minen, die auf diesen Strassen Erz transportieren. Liebe Leser, stellt euch nicht etwas vor, dass dafür richtig gute breite Strassen nötig sind. In Bolivien wird mit schwerbeladenen Lastwagen auf den haarsträubendsten Stecken verkehrt. So donnern uns wiederholt schwerbeladene Tanklastwagen entgegen und wir drücken uns, in der Angst vor herumfliegenden Steinen an den Strassenrand oder fahren gleich von der Strasse runter, hinaus auf die freie Fläche.
Dann erblicken wir den ersten Schnee links und rechts der Strasse. Der Schnee wird immer mehr und die Touren-Jeeps jagen nicht mehr ganz so enthusiastisch an uns vorbei. Nun sind wir es die überholen. Die Touren-Jeeps umfahren dagegen nach Möglichkeit die Schneeflecken als wären sie pures Gift – sie sind sich das Fahren auf Schnee nicht gewohnt.
Dann kommt die Abzweigung hoch zur Mine mit der Zollstation. Höher und höher klettert die Höhenanzeige auf unserem GPS. Dann erreichen wir zwischen Schneewänden die Mine und die Zollstation. 5020 Meter über Meer und unsere Autos laufen einwandfrei. Wir sind erleichtert und freuen uns. Schnell sind unsere Zolldokumente für die Autos abgestempelt und wir können weiter zur Grenze fahren.
Die lästigen Touren-Jeeps haben wir mittlerweilen hinter uns gelassen und wir fahren weiter hinter schweren Aufleger-Tanklastwagen her, die ihre Gefährte mit Geländewagen verwechseln. Nicht weniger langsam als die Touren-Jeeps sind sie unterwegs. Über Stock und Stein fahren sie. Und beschriftet mit so vertrauenserweckenden Bezeichnungen wie „Salpetersäure, sehr ätzend“, „Kerosin, hoch explosiv“ und anderen umweltschützenden Chemikalien.
Nach 50 weiteren Kilometern erreichen wir dann die Laguna Verde, die letzte Lagune vor der Grenze. Auch sie ist wieder umgeben von gigantischen Patisserie-Bergen und wir kriechen wie die Ameisen an ihrem Ufer entlang.
Dann sind wir an der Grenze. Einsam und verlassen erwartet uns ein einzelner Zöllner. Wie er uns versichert, ist die Ausreisegebühr an diesem Grenzübertritt einmal und in ganz Bolivien eine Ausnahmen… blabla. Alles klar, er will pro Person 5 USD Schmiergeld. So begleichen wir diese „Cortesia“ und überqueren die Grenze. Nicht ohne auf den Stockzähnen zu grinsen als die Schneesituation bedenken. 20 Zentimeter haben den Verkehr für über eine Woche blockiert.