29.09.2010
Nach dem unerwarteten Aufenthalt in Holland machen wir uns nun weiter auf den Weg nach Belgien. Luftlinie wären es ja nur gerade etwas über 60km bis nach Zeebrügge, doch auf der Strasse sind es über 200km. Nach einigen kleineren Irrungen auf der Suche nach einer Tankstelle, rollen wir vollgetankt bis unter die Hutschnur im Hafen ein. Nach den obligaten Stunden des Wartens werden wir eingeschifft.
Leider ist diese Fähre etwas kleiner und weniger komfortabel ausgerüstet, so ist denn auch der Bereich mit den Ruhesesseln nicht vom restlichen Bereiche des Restaurants und der Bar abgetrennt, sondern verfügt nur über einen mannshohen Sichtschutz.
Das sehr zum Leidwesen unserer Ohren. In einem Anflug von Romantik hat man einen jungen Pianisten engagiert der – und das muss man im attestieren – sehr ausdauernd unsere Trommelfelle malträtiert. Das Pianospiel geht ja noch, doch das Singen… !
Zum Glück haben wir unsere iPods mit dabei. So stecken wir diese in die Ohren und drehen voll auf. Es hilft ein wenig.
Leider sind auch die Platzverhältnisse auf dieser Fähre eher prekär. Petra schlägt schlussendlich ihr Lager auf einer Wolldecke zwischen den Sesseln auf und Paddy verbringt die Nacht auf einer Bank in der angrenzenden Bar.
Beide setzen wir uns dann am Morgen übernächtigt ins Auto – wie schön wäre es doch ein paar Stunden schlafen zu können. Doch leider nicht. Von Rosyth bei Edinburgh gilt es heute noch die 250km nach Blackburn bei Aberdeen zu fahren. Wir haben uns für das Weekend mit unseren Freunden Stewart und Katrina verabredet.
Irgendwie überstehen wir auch diese Fahrt. Seit der Fähre selbstverständlich auf der linken Strassenseite. Uhihihi, da muss man schon aufpassen. Vor allem wenn man müde ist, fällt einem das nicht immer leicht.
Alles in allem sind wir schon weit über einem Jahr in Ländern unterwegs gewesen, in denen wir auf der linken Strassenseite fuhren. Doch noch nie hatten wir ein links gesteuertes Fahrzeug dazu. Mit einem rechts gesteuerten Fahrzeug fällt das Linksfahren viel leichter, denn da ist alles umgekehrt, Lenkrad, Blinker, Schaltknüppel. Da wird man jederzeit an das Andersfahren erinnert. Doch mit unserem Auto – naja, das geht schon, ist halt ein Umgewöhnen.
Mit Stew und Kati verbringen wir ein schönes Weekend. Sightseeing in Aberdeen und Stonhaven (ein absolutes Muss in der Region), etwas Gequatsche bis tief in die Nacht und last but not least mit feinem Essen, das uns Kati auftischt, yumm.
Es ist soo schön in einer Wohnung zu leben. Einfach die Füsse hochlagern, Kühlschrank auf Essen raus, TV an, Bett steht bereit, es ist warm. Was will man noch mehr es ist super bequem. Daran könnte man sich rasch wieder gewöhnen.
Heute Dienstag ist es wieder einmal soweit. Wir fahren weiter. Nächstes Ziel ist Haddington östlich von Edingburgh. Paddy’s Cou-cousin John erwartet uns. Um nicht einfach nur die langweilige Schnellstrasse fahren zu müssen, entscheiden wir uns für einen Abstecher nach Braemar. Einem alten Dorf in Mitten der Highlands. Wenn ihr mal in der Nähe seid: unbedingt anschauen. Das Dorf und auch der Nahe Nationalpark sind schön.
Sehr müde kommen wir dann am Abend in Haddington an. Mit John gehen wir noch kurz ins Pub um etwas zu essen und fallen dann todmüde in die Federn. Wie schön ist es, dass wir auch hier in einer Wohnung schlafen können. Kein Auto parkieren, Dach hoch, frieren, kein am Morgen mit Flip-flops quer über den nassen Rasen zum Duschen laufen – ach, wie wir das im Moment NICHT vermissen.
Auch der heutige Tag ist eher unter der Kategorie „Müde“ abzubuchen. Geschlafen haben wir bis um 11 Uhr, mehr als 12 Stunden. Draussen regnet es und die Motivation etwas zu unternehmen ist nicht gerade gross. Zum Glück kommt da noch der Anruf von Steven, dem Partner von Johns Enkelin Sharon. Die beiden gehen heute Abend zur wöchentlichen Italienisch Lektion, ob wir Lust hätten mitzukommen, wir würden doch beide ebenfalls italienisch sprechen. Da sagen wir doch glatt zu. Gehen wir halt in Schottland zur Abwechslung mal in den Italienisch Unterricht.
13.10.2010
Italienisch ist im Moment wohl nicht unsere Stärke, dennoch war der Unterricht spannend. Gab es uns doch die Gelegenheit wieder einmal unsere Hirnwindungen zu strapazieren.
Seit ein paar Tagen ist nun auch klar, dass Petra für die paar Wochen zu Hause eine Arbeit hat. Nach den gestohlenen Fahrrädern und dem teuren Norwegen müssen wir unser Budget etwas aufbessern. Da Petra bereits am 11. Oktober anfängt, wird sie vorgängig von Edinburgh aus mit dem Flugzeug in die Schweiz fliegen. Paddy folgt dann einige Tage später mit dem Auto. Doch bis dahin geht es noch eine Woche. Vorerst steht Sightseeing auf dem Programm.
Glücklicherweise ist das Wetter als sehr „un-schottisch“, das heisst, es ist vorwiegend schön und warm.
Wir nutzen das Wetter um einige Ausflüge in East Lothian zu unternehmen. Falls ihr einmal in Schottland seid, verpasst es nicht die Lowlands anzuschauen. Sie sind genauso spannend und schön wie die Highlands. Auch hier gibt es grosse Gebiete die sehr abgelegen sind. Und es ist überhaupt nicht flach. Klar, es sind keine Glenns wie in den Highlands, doch geht es ständig auf und ab.
Als erstes steht das Tantallon Castle auf dem Programm. Eine eindrückliche Burgruine mit einer fast 1000-jährigen Geschichte. Obschon wir schon 2mal hier waren, ist es immer wieder eindrücklich zu sehen wie diese Burg auf die Klippe gebaut wurde. Es ist ein wunderschöner, sonnig-warmer Tag. Auf dem Weg zurück nach Haddington kehren wir noch in North Berwick ein. Hier waren wir noch nicht und wie wir herausfinden ist es ein wirklich schönes Städtchen mit vielen kleinen Geschäften. Halt Petra! Kein Geld zum Shoppen!
Neuer Tag neues Wetter. Heute regnet es zur Abwechslung einmal. Auf dem Plan steht ein Ausflug nach Edinburgh – zum Shoppen, wie Petra ankündigt. Wir brauchen noch ein paar Souvenirs für zuhause.
John bringt uns mit dem Auto zur Bahnstation. Es ist beeindruckend wie John mit 84 Jahren noch absolut einwandfrei im Verkehr unterwegs ist. So möchten auch wir noch fahren können, wenn wir dann mal so alt sind.
In Edinburgh entlässt uns der Zug in ein farbiges Gemisch von Menschen. Plötzlich ist es wieder vorbei mit der ruhigen Beschaulichkeit des ländlichen Haddington. Es pulsiert. Wir schlendern kreuz und quer durch Edinburgh auf der Suche nach einem bestimmten Geschäft in dem Petra ein T-Shirt kaufen will. Leider ohne Erfolg. Auf der Royal Mile, jene Touri-Meile, die zur Burg hochführt, decken wir uns schlussendlich mit allen nötigen Geschenken ein. Natürlich dürfen dabei ein, zwei Flaschen Whiskey nicht fehlen.
Zu Hause in Haddington stöbert Paddy dann etwas im Internet. Zufällig stösst er auf die Immigrationsbestimmungen der USA. Eigentlich wollten wir uns erst in Mexiko Gedanken zur Reise in den USA machen. Wir hatten uns ja extra noch kurz vor der Abreise biometrische Pässe besorgt. Diese ermöglichen uns ohne Visum in die USA einzureisen – haben wir gedacht…
Wie Paddy in den Immigrationsbestimmungen jedoch herausfindet, gilt die visa-freie Einreise jedoch nur, wenn:
- Man nicht mehr als 90 Tage bleibt
- Man mit einem lizenzierten Transportunternehmen einreist
- Etc.
Oh Schreck, diese beiden Anforderungen erfüllen wir ja bei nicht. Brauchen wir jetzt wirklich ein Visum? Sofort machen wir uns daran genauere Informationen zu suchen.
Ein E-Mail an die US-Botschaft in Bern kommt postwendend zurück: Es wird keine E-Mail-Korrespondenz geführt. Falls man Fragen hat, muss man eine 0800 Nummer anrufen zum Tarif von CHF 2.50/Min. oder per Kreditkarte eine Vorauszahlung von CHF 15 tätigen. Vorbeigehen kann man auch nicht. Wenn man einen Termin will, muss man zuerst einen Visa-Antrag stellen und bekommt dann einen Vorladungstermin.
Wie es scheint, steht die USA nicht auf Langzeit-Touristen!
Den Anruf schieben wir auf bis Petra in der Schweiz ist. Aus Schottland kann die 0800 Nummer nicht angerufen werden und à fond perdu wollen wir auch nicht CHF 15 bezahlen.
Im Moment können wir weiter nichts tun. Jedoch stellt sich uns nun die Frage, ob wir wohl übersehen haben, dass man auch für andere Länder ein Visum braucht. Fieberhaft machen wir uns auf die Suche und werden auf der Webseite des TCS fündig. Übrigens eine Super-Website mit allen Informationen, die man sich wünschen kann.
Wir gehen nun jedes Land einzeln durch; Argentinien, Chile, Peru, Bolivien, Ecuador, Panama, Guatemala, Belize, Costa Rica, Nicaragua, Mexico, USA, Canada. Uff, Glück gehabt! Nur unser Versäumnis in Bezug auf USA macht uns Probleme.
Nach diesem Schreck sind wir froh, dass wir etwas Ablenkung bei Sharon und Steven finden. Sharon ist das Grosskind von Paddy und somit seine Cou-Cou-Cou-Cousine. Die beiden sind in unserem Alter und wir verbringen ein schönes Wochenende zusammen.
Heute Sonntag besuchen wir alle zusammen das Flugzeug-Museum von Schottland. Es ist nur einige Meilen entfernt (ja, Meilen, denn Grossbritannien hat nach wie vor noch nicht auf Kilometer umgestellt).
Eindrücklich ist vor allem die Concord, welche in einer riesigen Halle zu bestaunen ist. Paddy ist ganz fasziniert und kaum noch wegzubringen. Man muss sich mal vorstellen; mit dieser Kiste konnte man 2-fache Überschallgeschwindigkeit fliegen. Da ist man von England oder Frankreich in die USA geflogen und zur gleichen Zeit angekommen zu der man losgeflogen ist. Das Flugzeug ist auf 60‘000 Fuss Höhe (20km!!!) geflogen, also in der Stratosphäre. Wow! Schade, dass die Concords nicht mehr fliegen. Das wäre ein Erlebnis gewesen.
Weiter gehts durch verschiedene Hallen mit schönen alten und neuen Flugzeugen, zivilen wie auch militärischen. Tja, das war bestimmt der falsche Ort für Paddy. Würde Petra ihn nicht jeweils in die nächste Halle schleppen, würde er bestimmt noch in ein paar Wochen da stehen.
Bald schon ist Mittwoch und Petra fliegt ab. Wir werden uns erst in eineinhalb Wochen wieder sehen.
Bericht Paddy:
John ist bereits etwas traurig als Petra abreist.
Ich habe mir vorgenommen noch bis am Sonntag auszuharren. Denn ich hoffe immer noch, dass sich einige meiner Verwandten melden.
Viel zu tun gibt es in diesen Tagen nicht. Wo möglich gehe ich John zur Hand und wir machen uns drei gemütliche „Männer-Tage“.
Am Freitag-Abend habe ich nochmals mit Sharon und Steven abgemacht. Wir haben uns vorgenommen eine volle Dröhnung „Star-Wars“ reinzuziehen. Dazu gibt es eine Auswahl feiner Whiskeys. Ein fauler Abend wie schon lange nicht mehr.
Am Samstag nehmen mich die beiden mit auf eine Wanderung durch die Dünen bei Aberlady. Das Meer bildet hier eine ausgedehnte Wattenlandschaft. Leider sind schon sehr viele Vögel „abgereist“. Langsam werden die Temperaturen kühler. So haben wir den kilometerlangen Strand alleine für uns.
Anschliessend warten die beiden noch mit einer Überraschung auf: Golf! Auf der nahen Driving-Range bringen mir sie mir dann die Grundzüge eines kultivierten Abschlags bei. Ich schaffe es sogar jeden 5 Ball halbwegs vernünftig abzuschlagen. Ich lasse mir sagen, dass das für den Anfang schon ganz gut ist. Irgendwie gefällt mir dieser Sport. Mal überlegen, ob das vielleicht eine Alternative zum bisherigen Sport wäre. Für eine Runde Golf ist man 2-3 Stunden an der frischen Luft, bewegt sich und wenn man es gut machen will, bekommt man sogar etwas warm.
Mit der Sporteinlage geht auch mein Aufenthalt in Schottland zu Ende. Am Morgen geniesse ich noch ein ausgiebiges Frühstück nach Art der Schotten (Saucages, Blackpudding, Bakon, Scrambled Eggs, Toast, Marmelade). Anschliessend mache ich mich auf den Weg. Richtung Bournemouth.
Haddington – Liverpool – Bournemouth – Tunbridge Wells - Marburg
Vor mir liegen 750 km bis ans untere Ende der Britischen Insel. Nach 400km ist bei mir dann aber der Ofen aus und südlich von Liverpool entschliesse ich mich die Nacht auf einem Campingplatz zu verbringen.
Es ist schon komisch, wenn man nach 6 Monaten intensiven Zusammenlebens mit einem Menschen plötzlich alleine ist. Ich lenke mich mit kochen, lesen und Musik davon ab und gehe früh ins Bett. Der Tag war lang und anstrengend.
Zeitig mache ich mich am Morgen dann auf die Socken. Spät nachmittags treffe ich dann bei meiner Tante in Bournemouth ein.
Das Auto konnte ich in der schmalen Garagenzufahrt parkieren. Zwischen Zaun und Auto und zwischen Haus und Auto sind nur noch wenige Zentimeter Abstand. Aussteigen kann ich erst, nachdem ich bis ans 3. Tor vorfahre, durch welches das Auto jedoch nicht durchpasst da es zu niedrig ist. Aussteigen kann ich dann aber auch nur auf der Beifahrer Seite.
Um ins Bett zu gelangen, muss ich dann durchs Haus zur Strassenseite raus und kann dann an die Hintertür des Autos.
Auch mein Tantchen hat noch etwas Handwerkerbedarf und so raspel ich ihr nach dem Frühstück noch schnell die Türschwelle, an der Eingangstür ab, so dass die Tür nun wieder ohne Fusstritte zu öffnen ist.
Der Abschied ist herzlich und ich habe die Befürchtung, dass es das letze Mal war, dass ich Julia sehe. Sie ist nun schon 89 Jahre alt. Körperlich ist sie zwar gut beisammen und fit, doch man weiss nie.
Für den Abend habe ich mich mit meinem Cou-Cou-Cousin Dennis in Kent verabredet. Das sind nur gerade 200 km Fahrt. Anfangs Nachmittag bin ich bereits schon da.
Unterwegs habe ich noch die Fähre von Dover nach Calais gebucht. Sie fährt um 08.00 Uhr am nächsten Morgen. Einchecken muss ich um 07.00. Ich muss vom Campingplatz in Kent bis nach Dover jedoch noch eineinhalb Stunden fahren. Das heisst also, dass ich um 05.00 Uhr aufstehen muss.
Ich nutze daher die Zeit bis zum Abend zum Duschen und einem Nickerchen.
Da ich zu allem Übel auch nicht vor 07.00 Uhr aus dem Campingplatz fahren kann (Schranke), stelle ich das Auto auf den Parkplatz vor dem Campingplatz und warte auf Dennis.
Gemeinsam fahren wir ins Pub in der nahen Ortschaft. Wir haben uns bisher noch nie getroffen und so gibt es einiges zu erzählen.
Aufgrund der frühen Tagwache machen wir aber nicht allzulange und ich bin dann schon um 10 Uhr im Bett.
Die Fahrt durch das ländliche Kent am nächsten Morgen ist eher unter der Kategorie „abenteuerlich“ abzubuchen. Die engen Strassen mit den hohen Hecken links und rechts machen die Fahrt zu einer angespannten Sache. Ständig auf der Hut, was hinter der nächsten Ecke auftaucht, immer bremsbereit – und doch die Uhr vor Augen, denn ich muss um 7 Uhr in Dover sein.
Problemlos rolle ich dann in Dover ein. Eingecheckt ist schnell und es gilt nun noch die restlichen Pfund-Münzen zu vernichten. Cadbury Schokolade gibt es zu Hauf und somit ist auch die Vernichtung der Münzen kein Problem.