21.09.2013 - 02.10.2013
Calgary - Regina - Winnipeg - Fort Williams - Sault St. Marie - Manitoulin - Niagara
Was sich wie ein Logbuch-Eintrag von Captain Kirk vom Raumschiff Enterprise liest, trifft hier am besten zu: Die Prärie des Mittleren Westens sind eeendlos!
Gleich hinter Calgary fängt sie an, die Prärie. Alles flach, soweit das Auge reicht. Hier gibt es nur eines: Landwirtschaft. Endlose Felder erstrecken sich zu beiden Seiten des Trans Kanada Highways. Zum Glück ist der Highway über weite Strecken wie eine Autobahn gebaut, so fällt einem das monotone Fahren etwas leichter.
Es ist Erntezeit. Überall fahren riesige Mähdrescher über die Felder. Meist sind es gleich 4 oder 5 die parallel die Felder abernten. Grosse Sattelschlepp-Züge mit 2 Auflegern fahren vom Highway direkt auf die Felder und lassen sich die Aufleger von den Mähdreschern füllen – natürlich alles ohne zu Stoppen. Als uns ein Mähdrescher entgegenkommt staunen wir nicht schlecht, der Mähbalken ist so breit wie die zweispurige Autobahn (bei uns sind die Mähbalken nur halb so breit).
Wenn man die Felder und das Treiben hier sieht, ist es schwer zu glauben, dass auf diesem Planet jemand Hunger haben muss. Ab Calgary in Alberta erstrecken sich die Felder ohne Unterbruch durch die beiden Provinzen von Saskatchewan und Manitoba bis hin zur Grenze nach Ontario. Das ist wie wenn Europa von Portugals Atlantik-Küste bis zur Deutsch-Französischen Grenze nur aus riesigen, endlosen Feldern bestehen würde. Und wohl gemerkt, das ist nur der kleine, kanadische Teil des Mittleren Westens. Der US-Amerikanische Teil ist nochmals grösser…
Unser erster Stopp in der endlosen Weite ist in Regina, der Hauptstadt von Saskatchewan und auch Heimat der RCMP, der Royal Canadian Mounted Police – kurz Mounties. Die Mounties sind eine Kanadische Legende und weit über die Grenzen hinaus bekannt. Ursprünglich immer mit weiten, schwarzen Reithosen, knall-rotem Sacko und dem berühmten Pfadfinderhut. Wir Stoppen beim Ausbildungszentrum und verfolgen eine der täglichen Drill-Paraden. Gleich nebenan finden wir noch ein sehr interessantes Museum über die Mounties und ihre Geschichte.
Da Regina weiter nichts Spannendes zu bieten hat, machen wir nur noch einen Einkaufsstopp und düsen weiter, wieder hinaus in die Landschaft aus sandfarbenem Korn und tiefblauem Himmel.
Nachdem Kanada Mitte des 19 Jh. die riesigen Ländereien im Nordwesten des Kontinents von der Hudson Bay Company abgekauft hat, mehrten sich die Klagen über haltlose Rechtszustände und Willkür in diesen Gebieten. Man beschloss daraufhin eine paramilitärische Polizeieinheit basierend auf Dragonern zu gründen und diese in den neuen Territorien einzusetzen.
Von Anfang an hatten die Mounties spezielle Befugnisse. Oft waren sie Postboten, Vermittler, Unterhändler, Polizist und Richter in einer Person. Was sehr zu ihrem hohen Ansehen beitrug war, dass sie sowohl Siedler, wie Indianer gleich behandelten und schützten. Sie arbeiteten in den abgelegenen Gebieten nördlich des Polarkreises, wie auch in den Weiten der Prärie.
Als sich aus den Nordwest-Territorien die einzelnen Provinzen bildeten, hatten diese zuerst ihre eignen Polizeikräfte, welche aber meist innert weniger Jahren wieder mit der RCMP ersetzt wurden.
Heute haben selbst einige der „alten“ Provinzen, wie New Brunwick und Nova Scotia die RCMP unter Vertrag für den Polizeidienst. Nur Ontario und Quebec haben sich bis heute ihre eigenen Polizei-Korps bewahrt.
Heute sind die Machtbefugnisse der RCMP natürlich denen „normaler“ Polizeikräfte angepasst. Dennoch haben sie immer noch eine paramilitärische Ausbildung und Spezialeinsatzkräfte welche in Fällen eingesetzt werden, bei denen in anderen Ländern zum teilweise Militär zum Einsatz kommt.
Bald ist die Grenze zu Manitoba hinter uns und Winnipeg kommt in Sicht. Ist nicht weit; nur 2 Tagesreisen…
In Winnipeg will Paddy unbedingt die Canadian Mint besuchen. Er hofft, dass er in der Kanadischen Münzpräge seine Sammlung der Kanadischen Münzen komplettieren kann. Zwar ist der Besuch der „weltbesten“ Münzanstalt sehr interessant, doch seine Sammlung komplettieren kann er nicht. Dazu müssen wir zu einem Numismatiker in der Stadt fahren.
Was so speziell an den Münzen ist? Sowohl in Kanada wie auch in den USA gibt es jährlich Spezialprägungen zu einem Thema. In Kanada waren es zum Beispiel die Olympischen Spiele in Vancouver, die Jahrtausendwende etc. Die Spezialprägungen sind im Umlauf zusammen mit den „normalen“ Münzen. Weiter hat Kanada als wohl einziges Land der Welt Münzen mit Farbprägungen. Eine spezielle Serie zum Kanadisch-Amerikanischen Krieg von 1812 ein rotes Ahornblatt auf die 25 Cent Münzen geprägt.
In Winnipeg spielt uns unsere Reserverad-Halterung wieder einmal einen Streich und bricht. Nachdem die Halteschraube gebrochen, sie aus dem Chassis ausgerissen, an der Tür durchgerostet ist, bricht nun auch noch ein Führungsteil aus rostfreiem Stahl. Wie das Möglich ist, wissen wir nicht. Jedenfalls passiert es zum Glück auf dem Campingplatz und nicht auf der Strasse beim Fahren.
Nach einigem Suchen finden wir einen Schweisser, der uns das Teil zusammenschweissen und verstärken kann, dann können wir es wieder anbringen.
Und da haben wir die Erleuchtung! Nach 4 Jahren wissen wir endlich, weshalb uns das Teil immer wieder kaputt gegangen ist: Wir haben die ganze Installation zu fest angezogen und es fehlt ein Gummi-Puffer!
Also nichts wie los in den Baumarkt, einen Gummi-Puffer kaufen, montieren und siehe da – alles läuft einwandfrei. Wir sind einigermassen konsterniert, dass wir so lange gebraucht haben, um das herauszufinden.
Nein, wir sind nicht mal so schnell nach Finnland geflogen. Aber als wir die Grenze zu Ontario überschreiten, ändert sich die Landschaft abrupt. Wir wähnen uns in Finnland. Endlose Wälder, leicht hüglige Landschaft und unzählige Seen. Es ist ein Traum. Auf jeden Fall eine der schönsten Landschaften auf unserer Reise.
Bald darauf erreichen wir Thunder Bay am Lake Superior. Wir wollen uns das alte Fort William ansehen, die ursprüngliche Handelsstation der Nordwest Company, der Konkurrenz zur Hudson Bay Company. Im Gegensatz zur Hudson Bay Company, war die Nordwest Company französischsprachig und im Französisch-besetzten Kanada zu Hause.
Das Fort stand ursprünglich direkt am Lake Superior, würde aber einige Kilometer flussaufwärts als „Living Museum“ neu aufgebaut. Leider ist von dem „Living“ im Museum nicht mehr viel zu sehen, denn es ist bereits Herbst und die Touristenströme sind versiegt. Und somit auch nicht mehr viele „Darsteller“ im Museum. Dennoch es ist interessant zu sehen und zu hören, wie sich das Leben damals vor 200 Jahren an diesem abgelegenen Ort abgespielt hat.
Wie wir am Schluss erfahren, wurde das Fort 1823 von Söldnern der Hudson Bay Company gestürmt – übrigens Schweizer-Söldnern, denen man im Gegenzug Land in Manitoba versprochen hat.
Die Stürmung des Forts führte zum Niedergang der französisch-schottischen Nordwest Company, welche am Schluss von der Hudson Bay Company übernommen wurde. Bald darauf wurde das Fort verlassen und verfiel.
Es ist ein interessanter Besuch und vermittelt uns sehr anschaulich die Anfänge Kanadas. Immer wieder müssen wir uns vergegenwärtigen, dass dies nur knapp 200 Jahre zurückliegt. Wenn man vergleicht, was vor 200 Jahren in Europa passiert ist, da staunt man immer wieder, wie es möglich war, dass damals noch solch riesige Landstriche unbekannt und unentdeckt waren.
Als alles begann, waren die nördlichen Gebiete von Nordamerika nur wegen der Felle und Pelze interessant. Russen, Spanier, Engländer und Franzosen hatten ihre Finger ausgestreckt um sich einen Anteil an den unendlichen und unzugänglichen Ländereien zu sichern. Russland in Alaska, Spanien an der Westküste in Oregon und Washington, England an der Ostküste und in der Hudson Bay und Frankreich um Quebec und Montreal an den grossen Seen.
Alle nutzten sie das weitverzweigte Netz der Flussläufe und Seen für ihren Handel mit den Eingeborenen, welche meist als Lieferanten der Pelze dienten. Nur wenige Weisse wagten sich damals bereits als Fallensteller und Jäger in die Wälder und Sümpfe des Nordens.
Da die dichten Winterfelle am begehrtesten waren, hatte man vor allem in der kalten Jahreszeit als Fallensteller und Jäger am meisten Arbeit. Erst im Sommer wurden die Felle in Kanus verladen und man machte sich auf den Weg zu Sammelstellen. Dort wurden die Felle gegen Naturalien eingetauscht und es ging zurück nach Hause.
Die Felle wurden von den Sammelstellen zu den Handelsposten weitergepaddelt. An diesen Sammelposten wie zum Beispiel Fort William wurden sie von den Zwischenhändlern der Sammelposten wiederum gegen Naturalien eingetauscht. Bis und mit zu diesem Punkt war es ein rein indianisches Geschäft. Erst jetzt hatten die Kolonisten ihre Hände im Spiel, wenngleich auch in Zusammenarbeit mit Indianern.
Die grossen Pelzhändler hatten Kanus die 3-4 mal so gross waren wie die üblichen Kanus. 4 Mann luden die nun zu Ballen verpackten Felle in die grossen „See“-Kanus und paddelten sie über die grossen Seen nach Montreal. Es war eine wochenlange anstrengende Arbeit, da alles gepaddelt wurde. Zwischen den Seen mussten immer wieder die Kanus und die Waren über kürzere und längere Strecken getragen werden, da zu dieser Zeit noch keine Schleusen vorhanden waren. Man stelle sich vor, dass jeder Pelzballen rund 45 Kilo wog. Jeder „Voyageur“, so wurden die Spediteure genannt mussten bei so einer Portage über Land 6 Ballen transportieren, für welche er persönlich verantwortlich war; immer 2 Ballen auf einmal. Am Schluss folgte das Kanu.
Dazu muss man sich das raue Wetter und den permanenten Wind vorstellen. Das Geld musste schwer verdient werden.
In Montreal wurde schliesslich die Ware aus den Kanus auf Segelschiffe verladen und nach Übersee geschickt.
Unsere Nächste Station ist Saulte Ste. Marie an der Engstelle zwischen Lake Superior und dem Lake Huron. Hier schauen wir uns die alten Schleusenanlagen an, welche wirklich eindrücklich sind, denn sie sind mit so einfachen und simplen, jedoch praktischen und unverwüstlichen Mitteln gebaut, es ist bestechend. Zwei grosse Gewindestangen bewegen die Schleusentore mittels einer einfachen Übersetzung von Stangen und Seilen. Simpel! Und es funktioniert auch noch 100 Jahre nach der Inbetriebnahme.
Ab Saulte Ste. Marie wird der Trans Canada Highway (TCH) schmaler und gleichzeitig nimmt der Verkehr zu. Wir sind nun im Osten Kanadas, wo über 80 Prozent der Einwohner wohnen.
Da wir davon getrieben sind, rechtzeitig zum Indian Summer an die Ostküste zu gelangen, halten wir uns nicht lange auf. Wir fahren über die grosse Süsswasserinsel Manitoulin und verschiffen nach Tobermory auf die Bruce Halbinsel. Die Abkürzung kostet zwar etwas, doch wir sparen uns einige hundert Kilometer Autofahrt. Nach einem kurzen Besuch im Nationalpark der Halbinsel geht es direkt zu den Niagara Fällen.
Nach vielen Monaten in spärlich besiedelten Gebieten erschlägt uns die Enge hier. Kaum noch Wälder, alles nur noch Kulturland. Dörfer reihen sich an Dörfer, Städte an Städte. An den Niagara Fällen fällt nicht nur das Wasser, nein es fallen auch die Touristen über uns her. Wir machen uns nach einem kurzen Stopp und ein paar Fotos aus dem Staub und fahren nach Toronto. Da wissen wir wenigstens, dass uns viele Menschen erwarten.